08 Mär
Magische Momente im Angesicht der Tragik
Handball-Benefizspiel: Endergebnis sekundär – die HSG und Bundesligist GWD Minden begeistern 300 Zuschauer
Manchmal bedarf es einer außergewöhnlichen Tragik, um etwas völlig Konträres und gleichsam Wunderbares heraufzubeschwören. Gestern Abend wurde in der Nienburger Meerbachhalle beides sichtbar: Die bittere, die böse Realität der Krankheit ALS, die durch den Binner Günter Tonn für alle rund 300 Zuschauer eine greifbare Realität erhielt. Und auf der anderen Seite eben ein ganz besonderes Handballspiel zwischen der HSG und den Profis von GWD Minden, das seinen Primärzweck erfüllte und reichlich Spendengeld für die Erforschung der unheilbaren Krankheit zusammentrug.
Nach 60 Minuten mit höchstem handballerischen Unterhaltungswert war damit der Beweis erbracht, dass in Anbetracht des Unausweichlichen durchaus Spiellust, Emotionen, Lebensfreude, Gemeinsamkeit, Unterstützung und Solidarität entspringen können.
Christian Tonn, der Neffe des Benefizspiel-Initiators und selbst langjähriger Handballer in Diensten der HSG, informierte alle Besucher vor dem Anwurf über die Krankheit ALS, ihre Symptome, die Lebenserwartung nach Stellung der Diagnose und die begrenzten Therapiemöglichkeiten, weil die Pharmaindustrie nunmal vordergründig gewinnorientiert arbeitet und forscht. Abschließend erklärte Christian Tonn in Richtung seines Onkels: „Ich habe Hochachtung, wie Du mit Deiner Krankheit umgehst und was Du alles bewirkst." Bereits vor neun Tagen hatte in Marklohe eine ALS-Spendengala samt Tischtennis-Show mit Ex-Profi Peter Franz stattgefunden.
Das gestrige Match war quasi der Gipfel der Tonnschen Aktionen, und am Ende musste sich der Nienburger Oberligist dem Mindener Bundesligisten lediglich mit 37:41 (17:23) beugen. Getragen wurde die Partie von vielen besonderen Momenten. Wie dem frechen Tor von Youngster Finn Kühlcke, das droben auf der Tribüne lautstark von seinen A-Jugend-Kumpels gefeiert wurde.
Oder vom Heimcomeback von „Iceman" Arnar Gudmundsson, der am Sonnabend im Punktspiel in Vorsfelde erstmals wieder auf der Platte stand und nun nach gut einem Jahr Zwangspause erstmals wieder in der Meerbachhalle auflief. „Das war ein sehr gutes Gefühl", meinte der Isländer im HARKE-Gespräch. „Ich merke endlich, dass es vorangeht. Ich mache im Training alles mit, muss es aber mit dem Werfen noch etwas langsamer angehen lassen."
Schlussendlich erhielten alle Beteiligten donnernden Applaus für 60 magische und hochgradig faire Minuten. Nur einer mochte sich nicht endgültig auf die emotionale Ebene bewegen: Frank Carstens. Der Mindener Coach hatte verletzungsbedingt Anleihen aus der Jugend und der Zweitvertretung mitgebracht, war aber dennoch nicht einverstanden mit dem Vortrag: „Sportlich bin ich unzufrieden, weil unsere Abwehr überhaupt nicht funktioniert hat. Das war ein ziemlich unprofessioneller Auftritt von uns."
Auf der anderen Seite lobte der GWD-Trainer den couragierten Auftritt der Heimsieben: „Die Nienburger haben vor allem im Angriff ein Super-Spiel gezeit, haben eine tolle Spielanlage, gute Entscheider, ein gutes Zweikampfverhalten und haben gar keinen Respekt gezeigt." Das war in der Tat erstaunlich. Denn gegen Rückraum-Bulldozer wie Nenad Bilbija mit seinen 2,08 Meter Größe, seinen 108 Kilo Lebendgewicht und 85 Länderspielen für Slowenien in der Vita muss man sich erstmal mutig behaupten.
HSG Nienburg: Ende, Prützel 1 geh. 7m – Fleischer 5, Ence 4, Kaatze, Kählke 2, Fennekoldt 4, Wrede 3, Bergmann 6, Kühlcke 1, Grabisch 8/1, Gudmundsson 2, Nülle 2.
Strafwürfe: 2/1 (Sebastian Nülle verwirft) – 2/1.
Zeitstrafen: 0 – 0.
Zuschauer: 300.
Spielfilm: 5:2, 6:8, 9:13, 12:17, 14:21, 17:23 (30.), 20:26, 24:29, 27:35, 29:38, 35:39, 37:41 (60.).
(Text: Die Harke (S. Schwiersch))